Wir eröffnen unsere wöchentlichen Team-Meetings stets mit einer kurzen Fragerunde, beispielsweise mit der vermeintlich einfachen Frage „Wie geht es Dir aktuell?“ oder „Welches positive Erlebnis hattest du letzte Woche?“. Die Fragen helfen, um sich auf informelle Art und Weise gegenseitig auszutauschen und einen Einblick in die aktuelle Situation der Anderen zu bekommen. Das schafft Verbindung und Nähe im Team. Doch eine Frage hat mich auch im Nachgang zu unserem Team-Meeting noch länger beschäftigt, nämlich die Frage: „Was hat sich für mich durch Corona im und zum Guten verändert?“
Ich habe diese Frage mittlerweile intensiv in meinem Familien- und Freundeskreis diskutiert und besprochen und es zeigt sich in allen Aussagen ein gemeinsamer Tenor, und zwar unabhängig davon, ob jemand in einem systemrelevanten Beruf tätig oder von Kurzarbeit betroffen war/ist. Alle fühlen sich wesentlich entschleunigter und weniger gehetzter! Im lmpuls vom Mai hatte ich dies die „neue Form der Langsamkeit“ genannt!
Doch woran liegt es, dass Menschen mit solch unterschiedlichen beruflichen Herausforderungen dieselben Antworten geben?
Corona hat die Welt von jetzt auf gleich unerwartet angehalten. Es gab keine Restaurant- oder Kinobesuche mehr, keine Spontantrips und Reisen rund um den Globus, Sportveranstaltungen und sonstige Aktivitäten waren abgesagt und auch Treffen mit Familie und Freunden waren nicht mehr möglich. Sicherlich war dies für uns alle aus den unterschiedlichsten Gründen nicht immer leicht zu ertragen, doch zu viele Aktivitäten führen letztlich zu Freizeitstress. Zwar haben wir die Gestaltung unserer Freizeit selbst in der Hand, doch diese Kontrolle geht vielen bei dem Versuch verloren, soziale Kontakte und sportliche Aktivitäten unter einen Hut zu bringen. Das Resultat liegt auf der Hand: Wir setzen uns selbst unter Druck, packen uns unsere Freizeit voller Termine und hetzen dann von einem zum nächsten. Das, was uns eigentlich positive Energie bringen und einen Ausgleich schaffen sollte, wird zum zeitlichen Marathon, der uns in übertriebenem Maße in einen sozialen Burn-out führen kann.
Das alles ist durch Corona weggefallen. Menschen haben stattdessen wieder angefangen selbst zu kochen und zu backen (nicht umsonst war Mehl und Hefe Mangelware), Bücher zu lesen, Netflix leer zu gucken, zu telefonieren und sich per Video auszutauschen. Sie haben sich auf die kleinen Dinge fokussiert und siehe da, der Druck war weg und wir konnten im wahrsten Sinne des Wortes „Aufatmen“.
Jetzt, wo Lockerungen immer mehr werden und das soziale Leben wieder hochfährt, stellt sich mir nun die Frage: Wie können wir es schaffen, die Entschleunigung auch zukünftig bewusster in das eigene Leben zu integrieren und davon langfristig zu profitieren?
Ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, denn wenn das Hamsterrad wieder anfängt sich schneller zu drehen, ist es leicht, in alte Gewohnheiten zu verfallen. Und das wäre zu schade, finde ich! Also lassen Sie uns die Zeit zur Reflexion nutzen, damit die letzten Monate nicht umsonst waren!
Und vielleicht gibt es zukünftig sogar einen weltweiten Corona-Feiertag oder sogar eine weltweite Corona-Feiertagswoche, in der die ganze Welt herunterfährt und sich auf das Wesentliche besinnt und einfach mal Durchatmet und zur Ruhe kommt! Eine schöne Vorstellung, finden Sie nicht?
Ihre
Barbara Ries